Auf Augenhöhe

Wenn die Partnerin oder der Partner an Krebs erkrankt, hat das meist auch Folgen für die Beziehung.

Alte Muster oder Rollen passen dann nicht mehr oder prägen sich plötzlich so stark aus, dass sie nicht mehr funktionieren. War der Erkrankte vorher schon vorsichtig oder ängstlich, kann es passieren, dass die Diagnose ihn so verunsichert, dass er in ein tiefes Loch fällt und alleine nicht mehr herausfindet. Vielleicht wächst er aber auch über sich hinaus und er verwandelt sich in eine Kämpfernatur, nach dem Motto: Schlimmer kann es nicht mehr werden, wovor soll ich noch Angst haben? Wie auch immer sich krebskranke Partner verändern, die anderen müssen damit zurechtkommen. Hier hilft es vor allem, den neuen Wesenszug oder ungewöhnliche Reaktionen erst einmal zu verstehen.

Wenn der Prostatakrebspatient plötzlich unangemessen eifersüchtig ist und er herumphantasiert, seine Frau habe mit dem Arzt geflirtet, hilft es ihr, seine dahinterliegende Not und Angst zu sehen. So geschehen in einem Beratungskontext… Nach unserem Gespräch konnte die Frau verstehen, warum ihr Mann so irrational reagiert hat und warum sie ihn nicht mit Argumenten vom Gegenteil überzeugen konnte. Vermutlich dachte er: „Ich bin als Mann nicht mehr attraktiv, ich habe Angst, dich zu verlieren.“ Er war ganz im Gefühl der Angst und des Verlustes. Hier helfen liebevolle Gesten und Körperkontakt. Im Anschluss an schwierige Situationen kann es helfen Sätze wie: „Ich bleibe bei dir, weil ich dich liebe.“ „Du bist und bleibst mein Lieblingsmensch“ auszusprechen.

Beeinflussen die Erkrankung und deren Behandlung den Alltag eines Paares massiv, fällt es dem „Gesunden“ oft schwer, plötzlich alleine dazustehen. Alles bleibt nun erst einmal an ihm hängen. Wer vor einer Erkrankung gleichberechtigt gelebt hat, muss das nicht ändern. Das Gleichgewicht in einer Partnerschaft ist nie ganz ausgeglichen, jetzt kann es besonders hilfreich für die Beziehung sein, noch mehr darauf zu achten, dass Beide auf Augenhöhe bleiben. Die gegenseitige Wertschätzung ist unabhängig davon, wer (mehr) Geld verdient, mehr im Haushalt macht, oder sich mehr um die Kinder kümmert usw. Es ist eine Frage der Haltung, ob ich meinen Partner als ebenbürtig oder gleichwertig ansehe, auch wenn er gerade nicht „funktioniert“.

Frauen rutschen schnell in die Mutterrolle, wenn ihr Mann erkrankt. Das kann die Beziehung stören, weil es zu Selbstüberforderung, Bevormundung, Schamgefühlen, usw. kommen kann. Auch ein pflegebedürftiger Mann ist in erster Linie Partner. Ich habe eine Frau kennengelernt, die, obwohl sie Krankenschwester war, ganz bewusst beschlossen hat, nicht die Pflege ihres Mannes zu übernehmen, sondern einen Pflegedienst zu engagieren, weil sie „seine Frau bleiben wollte und nicht seine Pflegerin werden wollte“. Ihr war es wichtig, die beiden Rollen nicht zu vermischen.

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